Rhein-Sieg Kreis, 19.12.2016
Sehr geehrter Herr Landrat Schuster, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Zuschauer im leider bis auf weiteres nicht vorhandenen Live-Stream dieser Sitzung,
alle 2 Jahre wieder steht der Kreishaushalt zur Beratung und Beschlussfassung an. Geht man in die Beratungen zu den vergangenen Haushalten, kommt einem schon fast zwangsläufig der Kultfilm „Und ewig grüßt der Murmeltier“ in den Sinn.
Der Landrat und seine ihn tragenden Fraktionen verkünden bei jeder Haushaltseinbringung mit Stolz, dass die Kreisumlage wieder einmal sinkt. Es macht sich doch gut, wenn dargestellt wird, dass der Hebesatz der Kreisumlage im Jahre 2010 bei 35,59% lag und nach der aktuellen Haushaltsplanung im Jahre 2021 sogar noch darunter, nämlich bei nur 35,57% liegen soll. Dies hat Herr Bieber von der CDU in seiner Eingangsrede gerade noch so lobend hervorgehoben.
Nicht die postfaktische, sondern die faktische, also die reale, Wahrheit ist, dass die Kreisumlage im Jahre 2010 noch 216,5 Millionen Euro betrug, sich im Jahre 2021 aber auf bereits 299,8 Millionen Euro belaufen soll. Bei sogar noch abgesenktem Umlagensatz ist dies eine reale, von den Kreiskommunen in Geld zu zahlende Mehrbelastung in Höhe von 83,3 Millionen Euro. Anders ausgedrückt: eine Steigerung in Höhe von 38,5 Prozent.
Eine, wiederum an den Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“ erinnernde Erfahrung bei Haushaltsberatungen ist, dass im Mittelpunkt der Beratungen Klein- und oft sogar Kleinstbeträge stehen. An die einen Haushalt prägenden Strukturen wird nicht herangegangen. Aber nur hier können wir wirklich etwas bewegen, wirklich Entlastungen für unsere bereits über Gebühr belasteten Kommunen erreichen. Der Kreis und seine gewählten Vertreter im Kreistag haben die Aufgabe, für ihre Kommunen da zu sein, deren berechtigten Interessen soweit irgend möglich nachzukommen, sie vor allem finanziell soweit wie möglich zu entlasten. Kreistag und Landrat sollten sich immer wieder die originäre Aufgabe, warum es in unserer Kommunalverfassung überhaupt Kreise gibt, vergegenwärtigen: Kreise haben ihren Kommunen dadurch zu dienen, indem sie für die Kommunen diejenigen Aufgaben wahrnehmen, zu deren Wahrnehmung die Kommunen nicht fähig sind. Diese dienende Funktion des Kreises vermissen wir nicht nur in den Sitzungen der Ausschüsse sowie des Kreistages, sondern auch in diesem Haushalt.
Ein Beispiel:
Die Personalkosten sind im Haushaltsjahr 2017 mit rund 86 Millionen Euro der drittgrößte Ausgabenposten des Kreises. Im Jahre 2016 betrug der Haushaltsansatz nur 77 Millionen Euro. Eine Steigerung innerhalb eines Jahres von fast 9 Millionen, oder – anders ausgedrückt – 11 Prozent!
Der Innenminister gibt in seinen Orientierungsdaten für Personalkosten einen Steigerungsrahmen von lediglich jährlich 1 Prozent vor. Dieses Ziel ist allein aufgrund der jährlichen Tarifsteigerungen nur durch permanenten Stellenabbau zu erreichen. Warum hält sich der Rhein-Sieg-Kreis nicht an diese Vorgabe?
Die Verwaltung hat die Personalkostensteigerung natürlich begründet. Die sachliche Notwendigkeit, insbesondere die eine oder andere Stelle im Sozialbereich zusätzlich einzurichten, stellen wir nicht in Frage. In Frage stellen wir allerdings die Bemühungen der Verwaltung, durch eine zielgerichtete Personalplanung zu untersuchen, ob und inwieweit in den nächsten Jahren freiwerdende Stellen überhaupt nachbesetzt werden müssen, bzw. wo hier durch eine andere Aufgabenverteilung oder Aufgabenzuweisung Stelleneinsparungen erzielt werden können.
Die demografische Entwicklung des Personals spielt hier eine wesentliche Rolle. Gerade sie bietet Ansatzpunkte für Einsparungen.
Damit bin ich bei einem anderen, nicht nur die kommenden Jahre, sondern Jahrzehnte prägendem, Faktum. Die Demografie unserer Bevölkerung.
Das Landesamt für Statistik hat in seiner Bevölkerungsvorausberechnung ermittelt, dass die Kreisbevölkerung von 586.520 Einwohnern im Jahre 2015 auf 617.392 Einwohner im Jahre 2040 ansteigen wird. Dies ist auf den ersten Anschein positiv. Betrachtet man jedoch die Entwicklung der Altersklassen, ergibt sich ein anderes Bild.
Im Jahre 2015 lebten im Kreisgebiet in der Altersklasse ab 60 Jahre bereits 157.000 Personen. Im Jahre 2040 werden es bereits 223.000 Personen sein. Eine Steigerung von über 42 Prozent. Nicht nur die Kommunen vor Ort, sondern auch der Kreis muss sich auf diese Entwicklung, auf die hierdurch neu und in einem bisher nicht berücksichtigten Maße, auf alle die Daseinsvorsorge für diese große Bevölkerungsgruppe zu schaffenden und zu unterhaltenden Einrichtungen nachhaltig einstellen.
Auch zu dieser Problematik vermissen wir die notwendigen Weichenstellungen im Haushalt.
Die demografische Entwicklung ist eng verbunden mit einer absehbaren Altersarmut. Das ständig sinkende Rentenniveau wird Kreise, Kreisfeie Städte und alle Kommunen vor bislang nicht absehbare Herausforderungen stellen. Ein Hauptziel des Neuen Kommunalen Finanzmanagements war die Sicherstellung der intergenerativen Gerechtigkeit. Vereinfacht ausgedrückt: die nächsten Generationen sollen nicht für die Schulden von heute aufkommen müssen.
Aus dem aktuellen Haushalt entnehmen wir, dass der Rhein-Sieg-Kreis zum Ende des Jahres 2015 eine Gesamtverschuldung in Höhe von 219 Millionen Euro hatte. Nach der vorliegenden Haushaltsplanung soll dieser Schuldenberg bis zum Jahresende 2018 auf knapp 275 Millionen Euro ansteigen. In nur drei Haushaltsjahren neue Schulden in Höhe von 76 Millionen Euro.
Wo bleibt hier die intergenerative Gerechtigkeit. Wir hinterlassen unseren Kindern und Kindeskindern immer höhere Schuldlasten. Wer soll diese Schuldlasten, die Verzinsung, die Tilgung, tragen? Die demografische Entwicklung gibt die Antwort:
- Zum Einen eine geringere Zahl in Lohn und Arbeit Stehender
- Zum Anderen die durch ein geringes Renteneinkommen bereits Gebeutelten.
Gerecht und nachhaltig ist eine solche Politik nicht.
Aus diesen Gründen kann die Kreistagsgruppe FUW/Piraten diesem Doppelhaushalt nicht zustimmen.
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