Die Anreise verlief witterungsbedingt ziemlich anstrengend. Wir – also meine Ehefrau und ich – sind am Freitag gegen 13:00 Uhr abgefahren und trafen kurz nach halb sechs im Hotel ein.
Am Abend ein kurzes Treffen mit tollen Piraten aus dem Rheinkreis Neuss, dem Rhein-Erft-Kreis und aus Castrop-Rauxel in einem irischen Pub. Ausgelassene Stimmung, viel gelacht und zwischendurch immer wieder politische Gespräche. Eine sehr muntere Reihenfolge, die den Beteiligten aber sichtlich Spaß machte.
Leider war die Müdigkeit bei uns dann aber doch so übermächtig, dass wir uns vergleichsweise früh gegen 22:00 Uhr verabschieden mussten.
Am Samstag morgen reihte ich mich pünktlich um 9:00 Uhr in die Warteschlange zur Akkreditierung ein. Die Gelegenheit, dabei mit anderen Piraten aus NRW – unter anderem Melanie Kalkowski, Nico Kern und Daniel Düngel – zwanglos plauschen zu können, ermöglichte das an sich etwas schleppend anlaufende Akkreditierungsverfahren klaglos zu ertragen. Gegen 9:30 Uhr wurde dann die Halle geöffnet und ein gewaltiger Strom Piraten aus der ganzen Republik ergoß sich in den Saal, um sich günstige Plätze zu suchen. Alle (wohl tatsächlich versuchten) Reservierungen waren am Vorabend entfernt worden. Ich fand einen guten Platz mit freier Sicht zur Bühne in der ersten Reihe von Block D neben Stephanie Schmiedke aus dem REK, die sich am Sonntag spontan zur Kandidatur entschied und prompt zur Generalsekrätärin im Bundesvorstand der Piratenpartei gewählt wurde. Rechts von mir – 5 Sitzplätze weiter – saß Christopher Lauer, der dann im Zuge des Parteitages als Wahlhelfer fungierte. Schon mal vorab: der MdA Lauer hatte sein Wahllokal zu jeder Zeit fest im Griff.
Mit einer sehr kurzen Rede des scheidenden Bundesvorsitzenden Bernd Schlömer startete der Parteitag dann um 10:10 Uhr.
Während die Wahl der Wahlleitung, Versammlungsleitung und der Protokollführung noch vergleichsweise zügig ablief, dauerte die Diskussion um die Tages- und Geschäftsordnung
dann über eine Stunde. Um kurz nach halb zwölf verkündete der VL das Abstimmungsergebnis zur Tagesordnung. Wir hatten eine!
Erste Diskussion zu Satzungsänderungsantrag Nr. 84 und 75 bezügl. Zusammensetzung des BuVo. Angenommen wurde nach “nur” halbstündiger Diskussion der Entfall der Beisitzer zugunsten von Stellvertretern für den PolGF und den GenSek.
Weitere Satzuns- und sonstige Änderungsanträge ausschließlich bezüglich Vergütung bzw. Aufwandsentschädigung für Vorstandsmitglieder folgten. Nach mehr als einstündiger, sehr kontrovers geführter Diskussion wurde dann X024 (Sicherung bei geringem Einkommen) angenommen. Alle anderen Anträge verfehlten die erforderliche 2/3-Mehrheit.
Weiter gings ab ca. 13:10 Uhr mit den Tätigkeitsberichten des scheidenden BuVo und – nach kurzer Unterbrechung – der Kassenprüfer. Dann in der Unterbrechungspause das erste “Highlight” des Tages: die Erklärung der vorgesehenen Wahlsysteme für die Wahl des neuen Vostands. Komplizierte Wahlverfahren bei Piratenparteitagen sind ja an sich nichts besonderes, aber dass für die Wahl des Vorsitzenden dann gleich ein solch kompliziertes wie das Bewertungswahlverfahren ausgewählt werden musste….?
Nach dem Bericht des Kassenprüfers entlastete die Versammlung den alten Vorstand.
Endlich um 14:00 Uhr begann dann die knapp einstündige Vorstellung der 6 Kandidaten zum Vorsitz. Ich mach’s kurz: Lediglich Stefan Körner und Thorsten Wirth schafften es, die Versammlung zu überdurchschittlichem Beifall zu bewegen.
Danach folgte der erste Wahlgang, der – wie aufgrund des komplexen Wahlverfahrens schon befürchtet – prompt abgebrochen und wiederholt werden musste. Um halb vier wurde der Wahlgang geschlossen; die Auszählung begann.
In der Zählpause wurden weitere Anträge behandelt; Einzelheiten spare ich mir hier, aber bemerkenswert ist es schon, wenn sehr komplizierte, teilweise modular erstellte Anträge und Positionspapiere durchgewunken werden, obwohl klar erkennbar ist, dass viele Parteitagsteilnehmer diese Anträge nicht vollständig oder gar nicht gelesen hatten. Die Fragen bei den Aussprachen zeigten dies sehr deutlich.
Gegen Viertel nach Fünf ein GO-Antrag auf Änderung des Wahlverfahrens für die noch zu wählenden Ämter. Vollkommen berechtigt. Das Ergebnis der Wahl des Vorsitzenden lag erst fast zwei Stunden nach Ende des Wahlganges vor.
Thorsten Wirth gewann die Wahl deutlich vor Stefan Körner.
Die Wahl des stellvertretenden Vorsitzes verlief ähnlich wie die vorherige Wahl, allerdings wurde das Approval-Verfahren angewendet und brachte deutlich früher als vorher das Ergebnis. Gegen 20:00 Uhr nahm Caro Mahn-Gause die Wahl an.
In der Auszählpause hatte Swanhild Götze ihren Antrag zu “Ordnungsmaßnahmen gegen Gebietsverbände” vorgestellt, der erwartungsgemäß zu sehr heftigem und kontroversen Disput führte. Die offene Abstimmung verfehlte knapp die erforderliche 2/3-Mehrheit, was jedoch von einigen Befürwortern angezweifelt wurde und schließlich zu einer geheimen Abstimmung führte. Der SÄA007 wurde schließlich doch abgelehnt.
Diese Satzungsänderungsdiskussion und die polemische Art und Weise, wie sie vor allem von den Befürwortern geführt wurde, demotivierten und verärgerten mich jedenfalls dermaßen, dass ich mich um kurz vor 21:00 Uhr – also noch vor der Schatzmeister-Wahl – von meinen Platznachbarn verabschiedete.
Fazit Tag 1: Insgesamt durchwachsen. Aber sehr viele tolle Piraten kennengelernt und mit ihnen über alles Mögliche gesprochen.
Positiv: Die beiden gewählten Piraten entsprechen voll und ganz meiner Vorstellung. Auch bei den beschlossenen Anträgen im Großen und Ganzen inhaltlich keine Bauchschmerzen.
Negativ: Die Streitkultur bei kontroversen Ansichten lässt immer noch reichlich zu wünschen übrig. Die Preisgestaltung für Catering fand ich – insbesondere für einen Piratenparteitag – absolut unterirdisch.
Am Sonntag um 9:00 Uhr sollte es pünktlich weitergehen, hatte es am Vortag geheißen. Also war ich pünktlich an meinem Platz. Tatsächlich los ging es aber erst eine halbe Stunde später. Toll. Denn in der Zwischenzeit konnte ich mir noch nicht einmal einen Kaffee besorgen, da der Bonverkaufsplatz nicht rechtzeitig geöffnet wurde. Entsprechend gut gelaunt folgte ich dann dem Eröffnungsgeplänkel bis zur Kandidaten-Vorstellung für das Amt des GenSek.
Stephanie Schmiedke – vielleicht besser bekannt als @H3rmi bei Twitter – hielt eine erfrischend klare Rede, in der sie ihre Ideen beschrieb. Der Beifall der Versammlung nahm praktisch das spätere Wahlergebnis vorweg. Um kurz nach 11 nahm Stephanie Schmiedke die Wahl an.
Die Wahl von Björn Semrau zum PolGF dauerte trotz der relativ großen Anzahl von 6 Kandidaten ebenso wie die GenSek-Wahl nur anderthalb Stunden. Das Approval-Verfahren hat halt so seine Vorzüge.
Die Wahlen des stellvertr. GenSek und des Schiedsgerichtes verliefen ohne nennenswerten Besonderheiten. Bedauerlicherweise hatte ja die Versammlung bereits am Vortag die Beisitzer abgeschafft und am zweiten Tag wurde dann auch kein Stellvertreter für den PolGF mehr für nötig befunden. Statt dessen haben wir nun zwei stellvertretende Generalsekretärinnen. Offensichtlich waren die teilnehmenden Piraten eher für Verwaltung als für Politik zu begeistern.
Das “Highlight” des zweiten Tages war für mich dann der Redebeitrag von Norbert Hense. Etwas populistisch vielleicht, aber allemal mitreißend und hoch motivierend. In meinem Umfeld hieß es dazu, dass zweifellos besser der Norbert Hense die Eröffnungsrede zum BPT gehalten hätte.
Gegen 16:30 Uhr verließ ich den noch tagenden BPT und trat die Heimreise an. Kurz vor 20:00 Uhr waren wir wieder zu Hause.
Fazit Tag 2: Sinngemäß wie Tag 1.
Gesamtresumee:
Wenn die vielen Gespräche in den Pausen nicht wären, würde ich zukünftige Bundesparteitage eher klar meiden wollen. Drei Bundesparteitage habe ich seit meinem Eintritt in die Piratenpartei besucht. Und von BPT zu BPT wird mir bewußter, dass wir andere Wege der politischen Meinungsbildung finden müssen. Die Möglichkeiten eines OPT oder einer SMV würden einer breiteren Anzahl Piraten deutlich mehr Teilhabe bringen, als es diese Art von Parteitagen vermag.
Jürgen Weiler
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